Kein bloßes Ritual



Für Dieter Graumann ist der 9. November 1938 mehr als nur ein Datum im Geschichtsbuch

Bloß ein ritualisiertes Gedenken!« Dieser Vorwurf kommt bei Schoa-Gedenkveranstaltungen immer mal wieder auf. Man treffe auf Menschen, die das Datum bloß aus Geschichtsbüchern kennen, keinen persönlichen Bezug mehr dazu haben, ja, auch kaum noch Interesse daran. Man gedenke nur, weil es zur »Gewohnheit« oder zur »political correctness« gehört.

Auch ich würde mir natürlich eine ehrliche, emotionale Anteilnahme wünschen, doch ist nicht sogar auch ein »ritualisiertes Gedenken« immer noch viel besser als ein planvolles Vergessen?

In diesen Tagen jährt sich die Reichspogromnacht zum 75. Mal. Damals brannten im ganzen Land die Synagogen, jüdische Geschäfte wurden geplündert und verwüstet. Viele Juden verschwanden in den KZs, viel zu viele wurden ermordet. Erst 75 Jahre sind seit dem dunklen Tag vergangen, auf den noch so viel schwärzere Jahre folgen sollten.

schmerz Für einige in Deutschland mag die Bedeutung dieses Tages schwächer werden. Für uns, die jüdische Gemeinschaft, aber werden der Schmerz und die Trauer bestimmt niemals nachlassen. Wir tragen die Erinnerung an die über sechs Millionen ermordeten Juden für immer in unseren Herzen, und die Lehre, die wir daraus ziehen, ist so einfach wie eindeutig: Nie wieder werden wir es zulassen, dass man uns wegen unseres Judentums angreift! Nie wieder werden wir uns einschüchtern lassen!

Für uns ist der 9. November 1938 daher eben mehr als nur ein Datum im Geschichtsbuch. Es ist unsere gemeinsame Geschichte, die uns bis heute prägt. Wir sind nun alle gefordert, diese Geschichte gerade den Kindern hierzulande näherzubringen. Schulen sollten daher die Möglichkeit nutzen, die letzten lebenden Zeitzeugen einzuladen. Mehr Authentizität wird es nie mehr geben. Hinter diesem Datum im Geschichtsbuch stehen Millionen von einzelnen Schicksalen.

Ein bloßes Ritual also? Nein: Wir denken fest an unsere Märtyrer. Wir werden daher immer erinnern wollen, gerade, um es heute gemeinsam besser machen zu können.

Weitere Artikel

Einweihung Militärrabbinat und Übergabe der Tora

Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster

Feierliche Eröffnung des neuen Synagogenzentrums...

Ansprache des Zentralratspräsidenten Dr. Josef Schuster anlässlich der Eröffnung des neuen Synagogenzentrums in Potsdam.

Vizepräsident Abraham Lehrer auf der Fachtagung...

„Die Begegnung war wirklich toll, aber beim nächsten Mal hätten wir lieber einen orthodoxen Juden da.“

„Wir waren schon etwas enttäuscht, dass...

Rede zur Gedenkfeier der Befreiung des KZ Dachau

Rede des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, bei der Gedenkfeier des Landesverbandes der Israelitischen...