Sitzung des Kulturausschusses



Rede des Geschäftsführers des Zentralrats der Juden in Deutschland, RA Daniel Botmann, in der Sitzung des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages am 08.02.2023

Quelle: https://www.bundestag.de/mediathek

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,

die documenta15 ist vorbei. Zum Glück. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass Antisemitismus, offener Judenhass, offenbar auf einer überwiegend staatlich finanzierten Kunstausstellung zur Schau gestellt werden kann.

Wir reden nicht nur über versteckten, latenten oder unterschwelligen Antisemitismus. Wir reden über plumpen, offenen und offensichtlichen Hass auf Juden. Zunächst wurde er versucht, wegzudiskutieren. Später schien niemand dafür verantwortlich zu sein. Niemand ist schuld. Keiner will es gewesen sein.

Der Skandal um die documenta15 war besonders perfide. Denn er wurde auf so vielen Ebenen ausgetragen, dass es schwierig war, den Überblick zu behalten. Das ideologische Gift wurde verbreitet, während die Debatte dazu auf immer höhere intellektuelle Ebenen gehoben wurde. Der Kern des Problems geriet dabei jedoch in den Hintergrund: Juden sind in Deutschland bedroht. Vor jeder Synagoge, vor jeder jüdischen Schule oder Kita ist Polizeischutz erforderlich. Antisemitische Diskriminierungen an Schulen und Universitäten gehören zum jüdischen Alltag.

Der Großteil des Hasses, dem Jüdinnen und Juden ausgesetzt sind, findet im Bereich unterhalb des Strafrechts statt. Oft nicht justiziabel, aber für die Betroffenen zermürbend und bedrohlich.

Sich in Reden gegen Antisemitismus auszusprechen, ist gut und wichtig, aber hieraus müssen auch Handlungen erwachsen. Handlungen, die auf der Haltung fußen, dass man Antisemitismus in keinem Umfang und in keiner Ausprägung dulden wird.

Diese Haltung hat bei der documenta15 gefehlt. Antisemitismus wurde geduldet. Trotz aller Vorwarnungen.

Nach der letzten Documenta ist vor der nächsten Documenta. Und dazwischen werden viele Kulturveranstaltungen stattfinden, bei denen die hier aufgeworfenen Fragen wieder aufkommen werden. Denn Antisemitismus im Kulturbetrieb ist leider keine Ausnahme.

Was ist nun der Plan gegen Antisemitismus im Kulturbetrieb? Wie kann so ein Desaster wie bei der documenta15 verhindert werden? Wer nimmt das Heft des Handelns in die Hand? Wer übernimmt nun Verantwortung?

Es geht nicht darum, Symptome zu behandeln, ein Bild abzuhängen oder nachträglich kontextualisierende Texte zu ergänzen. Sondern wir müssen an die Wurzel des Problems ran. Der Ausschluss von Antisemitismus und die Wahrung der Kunstfreiheit sind keine Gegensätze. Es sind miteinander im Einklang stehende Verfassungsprinzipien, die selbstverständlich nebeneinanderstehen müssen.

Und in dieser Frage können sich die politischen Entscheider auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene nicht aus der Verantwortung ziehen. Herr Prof. Möllers hat in seinem Rechtsgutachten sehr zutreffend ausgeführt, dass die generelle Planung spezifischer Förderprogramme und die Einstellung von Leitungspersonal in den Bereich der Kulturpolitik fallen und eben keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Kunstfreiheit darstellen. Diese Kompetenzen müssen die Entscheider entsprechend verantwortungsbewusst wahrnehmen. Und die Verantwortung ist groß!

Die heutige Anhörung ist mit dem Titel „Documenta – Konsequenzen und Ausblick“ überschrieben. Wenn ich ehrlich sein darf, habe ich mich damit schwergetan: Denn Konsequenzen hatten die antisemitischen Darstellungen so gut wie keine.

Die documenta15 lief wie geplant die volle Zeit durch, laut Herrn Fahrenholtz war sie sogar ein „Erfolg“. Und zwei Mitglieder von ruangrupa haben sogar eine Gastprofessur an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg erhalten. Irritierend!

Das Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta15 bezeichnete die Struktur der documenta15 mit dem Begriff „Verantwortungsdiffusion“ (S. 124). In diesem Land ist alles bis ins Kleinste reguliert. Bei der documenta aber wurde Verantwortungslosigkeit durchgängig zum Konzept gemacht. Das muss sich ändern!

Und an diesem Anspruch werden sich die politischen Entscheider messen lassen müssen.

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